Unser Verständnis wissenschaftlicher Politikberatung

Unser Verständnis qualitativ hochwertiger wissenschaftlicher Politikberatung orientiert sich an den „Leitlinien Politikberatung“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.1

Die „Leitlinien Politikberatung“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften betonen, dass wissenschaftliche Politikberatung sowohl politische Entscheidungen als auch einen allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs weder ersetzen kann noch soll. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, dieselben vorzubereiten, überhaupt zu ermöglichen und kritisch zu begleiten. Eine zentrale Herausforderung der wissenschaftlichen Beratung besteht darin, das nach den Gütekriterien guter wissenschaftlicher Praxis generierte Wissen so auf politisch relevante Fragestellungen anzuwenden, dass hieraus Empfehlungen abgeleitet werden können. Diese müssen sowohl wissenschaftlich angemessen als auch politisch umsetzbar sein. Die Beurteilung von Letzterem ist nur im Dialog zwischen wissenschaftlichen Berater*innen einerseits sowie Repräsentant*innen des politischen Entscheidungsprozesses andererseits möglich.

Sicherstellen, dass Empfehlungen wissenschaftlich angemessen sind

Um sicherzustellen, dass Empfehlungen wissenschaftlich angemessen sind, ist es unabdingbar, dass sich die zugrundeliegenden Untersuchungen methodisch auf dem neuesten Stand der Forschung befinden sowie alle relevanten Annahmen, Unsicherheiten, Erkenntnislücken und Werturteile offengelegt und explizit benannt werden. Dies stellt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung dafür dar, dass wissenschaftliche Politikberatung glaubwürdig ist. Weiter setzt die Glaubwürdigkeit Objektivität der wissenschaftlichen Beratung voraus, d.h. sie muss gegenüber den Interessen Einzelner (inkl. denen der Auftraggebenden) neutral sein. Daraus ergibt sich die Anforderung, dass alle Untersuchungen ergebnisoffen angegangen werden müssen. Dies schließt auch die Wahrung von Persönlichkeitsrechten sowie den verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Informationen mit ein.

Glaubwürdigkeit der wissenschaftlichen Beratung

In der Kommunikation der Ergebnisse ist adressatengerechte und verständliche Aufbereitung der Befunde von zentraler Bedeutung. Hierdurch wird der Eindruck vermieden, bei den Ergebnissen handele es sich um so etwas wie „Geheimwissen“. Zudem trägt eine klare Formulierung dazu bei, Missverständnissen und Fehlreaktionen im gesellschaftlichen Diskurs und politischen Entscheidungsprozess vorzubeugen.

Das Ziel wissenschaftlicher Politikberatung ist die Entwicklung guter Empfehlungen für die Politik im Sinne stichhaltiger Antworten auf meist hochkomplexe Fragen, die eine evidenzbasierte Entscheidung der politisch Verantwortlichen ermöglichen. Dies setzt voraus, dass die Befunde adressatengerecht aufbereitet und verständlich dargestellt werden. Das Urteil hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit der Empfehlungen ist auch Ergebnis eines Austauschs zwischen politisch Verantwortlichen und Forschenden und bedarf verlässlicher Kommunikationsstrukturen.

Grundlage aller Empfehlungen stellt die Evidenzbasierung dar. Nach unserer Überzeugung sind stichhaltige Antworten auf komplexe Fragen nur dann möglich, wenn sie soweit wie nur irgend möglich auf empirisch abgesicherten Erkenntnissen beruhen. Dies setzt adäquate, dem aktuellen Stand der Forschung entsprechende Untersuchungsmethoden voraus. Allerdings ist auch die klare Benennung verbleibender Unsicherheiten sowie der damit einhergehenden Erkenntnislücken unabdingbar.

Die Expertise wissenschaftlicher Politikberatung beruht auf vier Prinzipien: Transparenz, Glaubwürdigkeit, Pluralität und Unabhängigkeit.

Expertise umfasst nicht nur Kenntnisse aller relevanten theoretischen Modelle und empirischen Methoden, sondern auch Kenntnisse der relevanten Institutionen und Akteure inklusive eines Überblicks über die Rechtslage.

„Transparenz“ bedeutet für uns vor allem, dass mit den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen offen umgegangen wird und sich die beteiligten Forschenden einem Diskussionsprozess hinsichtlich ihres Tuns (und Lassens) stellen. Unverzichtbar hierfür ist insbesondere eine vollständige Beschreibung der zugrundeliegenden Vorgehensweisen.

Die Grundlage der „Glaubwürdigkeit“ der Expertise erfordert es, die resultierenden Erkenntnisse bestmöglich abzusichern. Hierzu zählen sowohl eine offene und selbstkritische Diskussion der gewählten Vorgehensweise einschließlich zugrundeliegender Hypothesen als auch der Hinweis auf mögliche Schwächen und Unsicherheiten des Ansatzes. Alternative Sicht- und Vorgehensweisen gilt es kritisch abzuwägen und die letztlich getroffene Entscheidung fundiert und nachvollziehbar zu begründen. Eine weitere Facette von Glaubwürdigkeit besteht darin, dass den Forschenden Unabhängigkeit und Ergebnisoffenheit zugeschrieben werden kann. Hierzu trägt einerseits maßgeblich die fachliche Expertise und Erfahrung der Forschenden selbst bei, aber andererseits auch die Gewissheit, dass die präsentierten Ergebnisse nicht in unangemessener Weise durch Auftraggebende beeinflusst werden.

Die Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus mehreren Perspektiven, die Entwicklung von konkurrierenden Hypothesen sowie die Nutzung multidisziplinärer Ansätze zur Gewinnung empirischer Evidenz sind zentrale Elemente der „Pluralität“. Untersuchungsmethoden müssen dem Untersuchungsgegenstand angepasst werden und nicht umgekehrt. Dabei sollte der Leitsatz „so einfach wie möglich und so komplex wie nötig“ als Orientierung dienen. Die Vielfalt sozialwissenschaftlicher Methoden und ihre verschiedenen Möglichkeiten sollten dabei so kombiniert werden, dass sie passgenau auf die Forschungsfrage zugeschnitten sind und diese aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.

Kern der „Unabhängigkeit“ wissenschaftlicher Analysen ist deren Objektivität, Interessenneutralität und Ergebnisoffenheit. Hierzu gehört auch der Mut, unbequeme Erkenntnisse der Untersuchungen offen auszusprechen. Politik und Verwaltung können aus den Befunden des wissenschaftlichen Beratungsprozesses nur dann einen Nutzen ziehen, wenn diese nicht als „Gefälligkeitsgutachten“ wahrgenommen werden. Jede wissenschaftliche Kritik muss aber sachlich und zugleich konstruktiv sein, andernfalls ist sie für den gesellschaftlichen Diskurs und politischen Entscheidungsprozess nicht hilfreich.

Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Evaluation (DeGEval) vertritt das ISG auch deren Standards2 der „Nützlichkeit“ im Sinne einer Einbindung der Forschung in gesellschaftspolitisches Handeln, der „Durchführbarkeit“ in Abgrenzung zu unrealistischen Forschungsprogrammen, der „Fairness“ insbesondere gegenüber den untersuchten Zielgruppen, die nicht als „Objekt“ behandelt werden dürfen, und der „Genauigkeit“ im Sinne methodisch sorgfältiger und transparenter Empirie.

1https://www.bbaw.de/files-bbaw/user_upload/publikationen/BBAW_Leitlinien_Politikberatung_2008.pdf.
2https://www.degeval.org/degeval-standards/standards-fuer-evaluation/

Das Institut

Das ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH ist eine unabhängige wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Forschungsgesellschaft mit Standorten in Köln und Berlin, die auf das seit 1952 bestehende Otto-Blume-Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V. zurückgeht.

Kompetenzen und Leistungsspektrum

Die wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen

• Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik (Leitung: Dr. Fuchs)
• Sozialpolitik (Leitung: Dr. Engels)

adminPolitikberatungsverständnis